„Während der Pandemie ist offenbar mehr passiert als nur ein Mangel an Liveness. Eine Neugierde ist erwacht auf die Grenzüberschreitung des eigenen Körpers (…). Von einem ähnlich veränderten Lebensgefühl erzählt auch die Choreografin Anna-Carolin Weber bei den letztjährigen „Temps d`Images“ (…). Nicht ganz unschuldig daran mag Webers eigene, zusammen mit Tobias Kopka entwickelte Arbeit „Hybrid Encounters sein, in der sich je zwei Teilnehmende unter dem Headset in der virtuellen Realität begegnen. Durch ihren Tanz erschaffen sie eine wie kalligrafisch wirkende 3D-Skulptur. Dass sie nach dieser One-to-One-Situation ihre Bewegung auch noch analog auf eine Blatt Papier zeichnen und dazu ihre eigenen Gedanken notieren, zeigt den niedrigschwelligen Zugang zu den Möglichkeiten solch virtueller „Geisterräume“. Das Publikum, sagt Weber, das sich wirklich mit Feuereifer ans Zeichnen, Schreiben und Tanzen macht, empfindet sich hier als aktiv und nicht als stumm gestellt.“
“Wie schaffen wir mit Tanz und Technologie Begegnungen, in denen Unerwartetes entsteht?”
Fragen wie diese treiben Tobias Kopka und Anna-Carolin Weber in ihrer künstlerischen Zusammenarbeit an. Das in Köln lebende Medienchoreograf:innen-Duo erforscht seit 2010 gemeinsam die performativen Möglichkeiten digitaler und physischer Medien, mit dem Ziel, neue künstlerische Perspektiven und erweiterte Begegnungsformen in Tanz und Performance zu schaffen.
Zentral in ihrer gemeinsamen Auseinandersetzung mit Tanz und Technologie: die Entdeckung neuer Handlungsmöglichkeiten in einem als demokratisch inszenierten, erweiterten Raum, der Performende und Besuchende auf Augenhöhe in den Aufführungskontexten interagieren lässt. Das Anliegen: die Gestaltung von Begegnungsformen, die nonverbal eine generationsübergreifende Besucher:innenschaft adressieren, die sich in einer intensiven sinnlichen Erfahrung ohne Scheu vor Tanz und Technologie begegnen. Mit ihren Arbeiten zielen Anna-Carolin Weber und Tobias Kopka darauf ab, eine enge Beziehung zu ihren Besucher:innen herzustellen, die ohne Überforderung deutlich macht: “Ihr seid aktiver Teil, ihr werdet gesehen, ihr gestaltet diese Arbeit mit!”.
Ihre derzeit aktuellen Inszenierungen, die auf renommierten Bühnen wie dem Tanzhaus NRW Düsseldorf, der Zeche Zollverein in Essen und am HAU – Hebbel am Ufer Berlin präsentiert werden, fördern eine generationsübergreifende Teilnahme und bieten den Zuschauer:innen eine aktive Rolle in den installativ gestalteten Performances. Mit Arbeiten wie „I Spy With My Little Eye“ (2022), „Beautiful Connection“ (2023) und “Hybrid Encounters“ (2024) sind Anna-Carolin Weber und Tobias Kopka in den letzten Jahren zu einer festen Größe in der freien Tanz- und Performanceszene Nordrhein-Westfalens geworden sowie sie deutschlandweit Aufmerksamkeit erzeugt haben. Einladungen zu Festivals wie A Maze Berlin, Temps D’Images in Düsseldorf sowie Moovy Tanzfilmfestival und Next Level in Nordrhein-Westfalen haben ihre Produktionen einer Vielzahl von Besucher:innen zugänglich gemacht. Rechercheprojekte, Wiederaufnahmen und Gastspiele erhielten öffentliche Förderungen. Residenzen im Quartier am Hafen Köln (zuletzt 2024), am Tanzhaus NRW Düsseldorf (2023, 2022), am Cologne Game Lab (2023) und an der Sommerakademie Alfter (2023) ermöglichten die vertiefende Auseinandersetzung mit Tanz, Technologie und Begegnung.
Die Zusammenarbeit von Tobias und Anna-Carolin zeichnet sich von Beginn an durch ein Interesse daran, auszuloten, wie Medien eine veränderte Adressierung und Einbezug des Publikums ermöglichen, der vielfältigen Exploration von unterschiedlichen Aufführungsformaten sowie durch verschiedene Phasen der Kollaboration aus Tanz, Theater und Konferenz-Bühnen sowie in Ausstellungskontexten.
Das Duo treibt eine beständige Weiterentwicklung dessen an, wie sie das Publikum nicht nur als Empfänger einer intermedialen Kunst- und Aufführungspraxis verstehen können, sondern wie sich Aufführende und Besuchende in Performances begegnen können. Dabei bringt Tobias Kopka seine umfassende Erfahrung aus Kultur der Echtzeit Animation der Demoszene ein, sowie ein umfassendes Wissen zur Kunst der digitalen Spiele ein, während Anna-Carolin Weber ihre weitreichende Expertise in intermedialen Tanzkonzeptionen und Choreografie beisteuert.
Verschiedene Stationen und unterschiedliche Schwerpunkte zeichnen die langjährige Zusammenarbeit von Tobias Kopka und Anna-Carolin Weber aus:
In der ersten Phase der Zusammenarbeit (2010-2017) umfasste diese v.a. Gastchoreografien mit dem Jungen Ensemble des Tanztheater Schlebusch, bei der Anna-Carolin Webers Choreografien durch die Integration von Foto, Video und Echtzeit-Animationen durch Tobias Kopka szenografisch und kompositorisch erweitert wurden (vgl. „Tanz_Bild_Kunst“ 2010 // „Body Politics“ 2011 // „Spielfeld“ 2014 // „Performing Landscapes“ 2017). Diese Projekte, die im klassischen Bühnenraum operierten, dienten als Grundlage für die Entwicklung ihrer gemeinsamen medienchoreografischen Methodik und Programmatik in den darauffolgenden Jahren.
In der zweiten Phase (2018–2021) verlagerte sich der Fokus des Duos: Anna-Carolin Weber und Tobias Kopka erproben neue Wege der künstlerischen Kommunikation und Interaktion außerhalb der traditionellen Bühnenpraxis, um innovative Begegnungsformen mit medienchoreografischen Ansätzen zu erkunden und dabei u.a. die Begegnungs-Settings von Konferenzen und Festivals entsprechend zu erweitern. Für das interdisziplinäre Vermittlungsprojekt „Virtual Reality Moves“ erhielt Anna-Carolin die durch den Stifterverband verliehenen Auszeichnungen „DIVR Science Award 2021 – Best Impact“ und 2020 „AVRiL Gold – Gelungene VR/AR-Lernszenarien“. Tobias wiederum erhielt als Initiator der „ArtOfCoding“-Kampagne mit „Demoscene – eine Kultur der digitalen Echtzeit-Animationen” seit 2019 weltweit hohe Aufmerksamkeit. Mit diesem Projekt wurde die erste digitale Kulturpraxis überhaupt weltweit als immaterielles UNESCO-Kulturerbe in Deutschland anerkannt. Eine Kulturpraxis, die sich durch eine basisdemokratische Grassroots-Kultur auszeichnet, bei der es keine Trennung von Künstler:innen und Publikum gibt, sondern die gesamte Szene durch eine künstlerische Macher:innen-Mentalität geprägt ist.
Unter dem Eindruck der Covid-19 Pandemie, in dem die Adressierung des Publikums weder im klassischen Bühnen-Setups, noch in Workshops, Ausstellungskontexten und auf Konferenzen möglich ist, läuten Tobias Kopka und Anna-Carolin Weber Ende 2020 die dritte Phase ihrer Zusammenarbeit ein, die den Umgang mit dem Publikum, mit dem Gegenüber vollends ins Zentrum rückt: mit voller Konzentration auf die Bedeutung von Begegnungsmomenten im Tanz und der Frage danach, wie digitale Medien (allen voran Virtual Reality) als Kontaktmedium in diesen Begegnungen künstlerisch genutzt werden kann, erarbeiten sie zwischen 201–2024 eine Vielzahl von Projekten und Inszenierungen zum Themenkomplex „Bewegung – Verdatung – Begegnung”. Dazu gehören u.a. Whatever Connects Us (DIS-TANZ SOLO Projektförderung 2021), ChoreograVR in a hybrid space am tanzhaus nrw, Düsseldorf (TakeHeart Residenz 2022), White Space Open am tanzhaus nrw, Düsseldorf (TakeHeart Residenz 2023) sowie Recherche Interaktionsmaschinerie (Fonds Daku Rechercheförderung 2023). Aus dieser Fokussierung entstand jüngst eine Reihe von Tanz- und VR-Performances, die als Installationen und Experiences unter Beteiligung eines sehr persönlich adressierten Publikums realisiert werden. Diese Projekte, darunter “I Spy With My Little Eye” (2022), “Beautiful Connection” (2023) und “Hybrid Encounters” (2024) – allesamt vom Dachverband Tanz Deutschland im Programm tanz:digital gefördert – laden Besucher:innen ein, durch Tanz und Virtual Reality in einen neuen Dialog zu treten und unkonventionelle Raum- und Tanzerfahrungen zu machen.
„Während der Pandemie ist offenbar mehr passiert als nur ein Mangel an Liveness. Eine Neugierde ist erwacht auf die Grenzüberschreitung des eigenen Körpers (…). Von einem ähnlich veränderten Lebensgefühl erzählt auch die Choreografin Anna-Carolin Weber bei den letztjährigen „Temps d`Images“ (…). Nicht ganz unschuldig daran mag Webers eigene, zusammen mit Tobias Kopka entwickelte Arbeit „Hybrid Encounters“ sein, in der sich je zwei Teilnehmende unter dem Headset in der virtuellen Realität begegnen. Durch ihren Tanz erschaffen sie eine wie kalligrafisch wirkende 3-Skulptur. Dass sie nach dieser One-to-One-Situation ihre Bewegung auch noch analog auf eine Blatt Papier zeichnen und dazu ihre eigenen Gedanken notieren, zeigt den niedrigschwelligen Zugang zu den Möglichkeiten solch virtueller „Geisterräume“. Das Publikum, sagt Weber, das sich wirklich mit Feuereifer ans Zeichnen, Schreiben und Tanzen macht, empfindet sich hier als aktiv und nicht als stumm gestellt.“
(tanz. Zeitschrift für Ballett, Tanz und Performance, März 2024, Arnd Wesemann)